"Nadeln irgendwo hineinstecken und damit hoffentlich etwas Positives bewirken." So würden Laien wohl das Wort Akupunktur erklären. In der BG Klinik Ludwigshafen wird auf der Station K2, das ist die Abteilung für Schmerzmedizin, ein großes Paket an Komplementärmedizin angeboten, unter anderem auch Akupunktur. Alexandra Taubitz wendet in der BG Klinik Ludwigshafen unterschiedliche Bausteine davon an, immer mit dem Ziel Schmerzen zu lindern und die Lebensqualität der BG-lich versicherten Patienten und Patientinnen zu erhöhen. Sie ist Gesundheits- und Krankenpflegerin, Heilpraktikerin und verfügt über eine dreijährige Ausbildung in der Chinesischen Medizin.
Pflege ist mehr. Das ist keine Floskel, sondern Realität, denn je nachdem in welchem Fachgebiet man arbeitet, ist der Aufgabenschwerpunkt durchaus ein anderer. Es gibt Stationen, auf denen die Unterstützung bei der körperlichen Pflege im Vordergrund steht. Stationen, bei denen die Organisation und Gerätemedizin besonders bedeutend ist oder welche, auf denen durch die Notwendigkeit von häufigem Umlagern körperlich härter angepackt werden muss. Auf der Station K2, der Abteilung für Schmerzmedizin, kommt überwiegend der therapeutische, assistierende Ansatz zum Tragen. Einige der Patientinnen und Patienten leiden seit Jahrzehnten unter Schmerzen, hier geht es darum, das Schmerzgedächtnis zu löschen und diesen belastenden Kreislauf zu unterbrechen.
Die Akupunktur ist ein Baustein der Chinesischen Medizin, eine über 3.000 Jahre alte Medizin, mit einer ganz eigenen Philosophie. Damals gab es die Pharmaindustrie, so wie wir sie heute kennen, noch nicht. Aus Grabfunden weiß man allerdings, dass schon damals spitze Stöckchen genutzt wurden, um den Körper zu bearbeiten. Körper wurden damals nicht aufgeschnitten, die Chinesen wussten also gar nicht genau, wie der Körper von innen aussah.
Theoretisch ist die Chinesische Medizin so aufgebaut, dass alle Systeme ineinandergreifen, aber es ist auch möglich, die einzelnen Bausteine - die chinesische Ernährungslehre, Thermik, manuelle Massage, Schröpfen, Qi-Gong, Akupunktur und Kräuter - einzeln anwenden.
Die Patientinnen und Patienten sind durchschnittlich fünf Wochen bei uns in der BG Klinik Ludwigshafen auf der Station K2 für Schmerzmedizin. Zweimal in der Woche geht es im Rahmen einer Gruppentherapie zum Qi-Gong und bis zu zweimal pro Woche wird Akupunktur angewandt, bei manchen wird die Therapie durch Schröpfen ergänzt.
Der Körper ist umgeben von sogenannten Energiestraßen, den Meridianen, davon gibt es 12 Stück, die paarig über den Körper verteilt sind und immer einem Organ zugeteilt. Wenn bei Patienten oder Patientinnen also Probleme an der rechten Hand bestehen, dann ist es möglich, dies über die linke Hand zu behandeln, in dem man die Nadeln dort ansetzt.
Über die Akupunkturpunkte lassen sich auch pathogene Faktoren ausleiten, die von außen eindringen, also z. Bsp. Wind, Feuchtigkeit, Hitze, Kälte oder Schleim. Entsprechend dem psychologischen Ansatz der damaligen Chinesischen Medizin, wurde über die Akupunktur auch bei den fünf Hauptemotionen - Wut, Trauer, Sorge, Angst und Freude - angesetzt.
Schulmediziner haben später herausgefunden, dass unter den Akupunkturpunkten eine gewisse Bündelung von Nerven zu finden ist. Diese Bündelungen an Nervenfaserendungen können sehr unterschiedlich sein, es gibt verschiedene Reichweiten zum Gehirn und dementsprechend andersartige Ausschüttung von Botenstoffen. Das erklärt, warum es möglich ist, ein und denselben Punkt zu benutzen, wenn die Patientinnen oder Patienten über Kopfschmerzen, Bauchschmerzen oder Rückenschmerzen klagen.
Im Rahmen des Aufenthaltes der Patienten und Patientinnen setzt Frau Taubitz unterschiedliche Nadeln, mit verschiedenen Stärken, Größen und Material, ein. Sie nadelt so tief, bis das Qi erreicht wird. Qi ist eine Ur-Substanz in der Chinesischen Medizin und bedeutet Energie. Dabei wird versucht, eine gewisse Qualität zu erreichen, die Patienten und Patientinnen merken, wenn die Nadel durch die Haut geht und wenn die Nadel sitzt. Die Nadeln verbleiben in der Regel eine halbe Stunde dort.
Manche haben anfangs Angst vor der Behandlung mit Nadeln, hier wird häufig mit einer sogenannten Liquidakupunktur im Ohr sanft eingeleitet, dabei wird ein Lokalanästhetikum an die entsprechende Stelle gespritzt. Durch den Reiz des Lokalanästhetikums am Ohr gibt es eine neuromodulative Verschaltung. Außerdem verfügen wir über ein Low-Level- Lasergerät, mit dem wir auch bei nadelängstlichen Patienten nadelfrei über Softlaserstrahlen arbeiten können.
Die Reiztherapie ermöglicht es, an die Synapsenverschaltung zu kommen, die sich jetzt als Fehlfunktion herausstellt und wieder aufgelöst werden soll. Die Rückmeldung der Patienten und Patientinnen ist überwiegend sehr positiv. Viele leiden schon jahrzehntelang an Schmerzen, kennen bisher nur eine Behandlung mit starken Medikamenten. Durch die Akupunktur erleben sie zum ersten Mal schmerzfreie Perioden und erleben, dass sich ihr Körper tatsächlich entspannen kann und nicht vollends vom Schmerz bestimmt wird. Durch diese Entspannungswirkstoffe, die durch Akupunktur auch dazukommen, merken die Leute, wie sich der Körper eigentlich anfühlt und wenn er sich nicht gut anfühlt, was kann man tun.
Die Zufriedenheit und der überraschende Effekt, den wir hier sehr oft erleben, beides holt viele Patienten ab und motiviert sie dazu, diese Therapie auch ambulant weiterzumachen. Viele verlassen die Station K2 positiv bestärkt und führen die Akupunktur ambulant weiter.
Glossar:
Schmerzgedächtnis: Das Schmerzgedächtnis vergleicht den akuten Schmerz mit gespeicherten Schmerzerfahrungen und nimmt daraufhin eine Bewertung vor.
neuromodulativ: Neuromodulatoren sind chemische Substanzen, die die Arbeitsweise des Nervensystems beeinflussen. Sie können vom Körper selbst produziert werden und sind für die normale, physiologische Arbeitsweise des Gehirns unverzichtbar.