Für die Handtherapie und die optimale Behandlung verschiedener Handverletzungen ist die Schienentherapie essentiell. Aus der Physiotherapie und Ergotherapie an der BG Klinik Ludwigshafen ist die Schienenversorgung nicht wegzudenken. Über die Bedeutung und den Umgang mit Schienen haben wir mit unserer Ergotherapeutin Hanne Wendt im Interview zu ihrem neuen Buch „Schienenversorgung in der Handtherapie“ aus dem Jahr 2020 gesprochen. Im Jahr 1999 war sie bereits Coautorin des Buches „Ergotherapie vom Behandeln zum Handeln“. Seit 1992 arbeitet Hanne Wendt in der Handtherapie der Klinik für Hand-, Plastische-, und Rekonstruktive Chirurgie – Schwerbrandverletztenzentrum an der BG Klinik Ludwigshafen. Damals wie heute ist die Handchirurgie und -therapie für sie ein sehr spannender und interessanter Fachbereich. In Ihrer Nebentätigkeit als Dozentin für die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie (DAHTH) unterstützt Frau Wendt die Weiterbildung zum/zur Handtherapeut:in.
Wie sind Sie auf die Idee gekommen, dieses Buch zu schreiben?
Die Idee ist aus meiner Arbeit als Dozentin für die Deutsche Arbeitsgemeinschaft für Handtherapie (DAHTH) entstanden. Für die Weiterbildung zum/zur Handtherapeuten:in führe ich mit befreundeten Kollegen und Kolleginnen Kurse zum Thema Schienentherapie durch. Über die Jahre haben wir dementsprechend viele Skripte für die Kursteilnehmer:innen erarbeitet. So kam letztendlich die Idee auf, das Wissen aus den Skripten zu bündeln und es auch einer breiteren Masse zur Verfügung zu stellen. Mit der Veröffentlichung in Form des Buches „Schienenversorgung in der Handtherapie“ haben wir das dann umgesetzt.
Bei der Weiterbildung der DAHTH handelt es sich um eine Spezialisierung der physiotherapeutischen und ergotherapeutischen Behandlung. Die Schienenbehandlung ist ein Baustein der Spezialisierung. Man kann also sagen, das Buch vermittelt wichtige Punkte aus der Weiterbildung zum/zur Handtherapeuten:in.
Was macht die Schienenbehandlung aus Ihrer Sicht so interessant und wichtig?
Der Schienenbau ist ein essentieller Baustein in der Handtherapie und trägt oft entscheidend zum Behandlungserfolg bei. Außerdem gibt es viele verschiedene Arten von Schienen, die in ganz unterschiedlichen Behandlungsphasen angewandt werden können, was ich sehr interessant finde.
In der frühen Phase, direkt nach der Operation, kann z.B. eine lagerungskorrektive Schiene als Gipsersatz dienen. Das ist eine statische Schiene. Sie ist für den Heilungsprozess wichtig, da so einerseits die betroffene Struktur geschützt und andererseits mögliche nachfolgende Kontrakturen vermieden werden.
Manche Schienen sind aber auch die Voraussetzung dafür, überhaupt mit der Behandlung starten zu können. Dabei handelt es sich dann um sogenannte frühfunktionelle Schienen. Das sind überwiegend dynamische Schienen mit beweglichen Anteilen wie z.B. Federn oder Gummibändern. Sie kommen unter anderem bei der Beugesehnen- und Strecksehnennachbehandlung zur Anwendung. Später im Verlauf der Rehabilitation können andere dynamische Schienen zum Einsatz kommen, um z.B. dermatogene, arthrogene oder tendogene Kontrakturen aufzudehnen. (siehe Infobox Fachbegriffe)
Bei Nervenläsionen werden Funktionsersatzschienen eingesetzt. Diese ersetzen die verlorengegangene Funktion, erlauben einen physiologischen Bewegungsablauf und verhindern die Überdehnung der gelähmten Muskulatur.
Inwiefern stellt Ihr Buch „Schienenversorgung in der Handtherapie“ eine Hilfestellung für Handtherapeuten und Handtherapeutinnen dar?
Das Buch gibt Auskunft über die Basis des Schienenbaus in der Handtherapie. Es eignet sich sowohl für Beginner im Schienenbau als auch für Könner, um sich da den ein oder anderen Trick abzuschauen. Es bietet eine Step-by-Step Anleitung, was meiner Meinung nach im Vergleich zu anderen Büchern eine Besonderheit ist. Das heißt alles wird schrittweise und bildlich erklärt. Anfänger:innen sehen, wie genau sie vorgehen müssen, welche Materialien und Werkzeuge sie benötigen, wie man damit umgeht und was beachtet werden muss. Es ist wie ein Kochbuch aufgebaut wenn man so möchte.
Auch die Historie spielt eine wichtige Rolle. Leser:innen erfahren, seit wann es den Schienenbau überhaupt gibt und wie schon immer individuelle Lösungen für Verletzungen an der Hand gefunden wurden. Schon im alten Ägypten wurden Schienen aus Stöcken und Pflanzenmaterial gebaut und später wurde der Gips eingeführt. Durch die Erfindung des thermoplastischen Materials Anfang der 60er Jahre haben sich viele Erleichterungen und auch weitere Entwicklungen für den Schienenbau ergeben.
Hat Ihnen die Arbeit an der BG Klinik Ludwigshafen wichtige Erkenntnisse für das Buch geliefert?
In meiner Arbeit an der BG Klinik baue ich täglich Schienen für Patientinnen und Patienten. Aus dem Grund würde ich sagen, konnte ich mir da schon besondere Fertigkeiten aneignen. Der Umgang mit verschiedenen Verletzungsfolgen aber auch mit unterschiedlichen Materialien hat mir da sehr geholfen. Neben den einfachen Standardversorgungen sind hier im klinischen Alltag individuelle Problemlösungen gefordert, um den Erfordernissen der jeweiligen operativen Versorgung gerecht zu werden. Gleichzeitig werden auch individuelle Bedürfnisse der Patientinnen und Patienten berücksichtigt.
Hat Ihnen das Schreiben Spaß gemacht? Würden Sie noch mal ein Buch schreiben?
Ich würde vielleicht noch mal ein Buch schreiben, allerdings nicht mit so vielen Beteiligten. Es war sehr befruchtend und in der Erarbeitung des Buches habe ich selbst auch noch mal sehr viel dazu lernen können. Es war aber auch ein relativ langer Prozess. Wir waren sechs Autoren:innen aus drei verschiedenen Kliniken. Meistens ist das Schreiben dann auf die Abendstunden gefallen. Das macht es nicht ganz einfach dieses Konzept. Außerdem ist es natürlich auch schwierig, immer einen Konsens zu finden. Jeder hat seine individuelle Vorgehensweise und geht mit verschiedenen Dingen anders um als die Anderen.
Würden Sie die Weiterbildung zum Handtherapeuten empfehlen?
Ich würde sie auf jeden Fall empfehlen, wenn man im Bereich der Handbehandlung arbeiten möchte, egal ob in der Ergo- oder Physiotherapie. Es werden Behandlungsmethoden aus beiden Fachbereichen beleuchtet. Das hat natürlich Einfluss auf meine ergotherapeutische Arbeitsweise, aber umgekehrt lernen Physiotherapeuten:innen z.B. wie sie mit gebauten Schienen umgehen müssen. Selbst wenn sie in der Zukunft dann keine eigenen Schienen bauen, ist das ein großer Vorteil. Ich denke, das ist für beide Berufszweige und für die Patienten:innen auf jeden Fall eine Bereicherung.
Wie viele Kolleginnen und Kollegen an der BG Klinik haben die handtherapeutische Weiterbildung?
In unserem Haus haben derzeit vier Mitarbeiter:innen der Therapieabteilung die DAHTH Zusatzqualifikation Handtherapeut. Es gibt auch noch eine zweite Fachgesellschaft, die Akademie für Hand-Rehabilitation, bei der momentan eine weitere Kollegin in der Ausbildung ist.
Handtherapie ist momentan noch kein geschützter Begriff, aus dem Grund, weil die Zusatzqualifikation noch nicht flächendeckend verbreitet ist. Ich hoffe natürlich, dass sich das in den nächsten Jahren ändern wird und Handpatienten und -patientinnen überall eine qualitative Nachsorge erhalten.
Wenn Sie sich für das Buch "Schienenversorgung in der Handtherapie" interessieren, können Sie es u.a. hier bestellen: https://www.springer.com/de/book/9783662537879
Das Interview führte unsere Praktikantin Louisa Krieg