BG Klinik Ludwigshafen - Blog

Roboter unterstützt im OP

Geschrieben von Ute Kühnlein | 24.Mai 2023 01:05:29


Unvorstellbar, was Mikrochirurgen bei Operationen an feinsten Gewebestrukturen leisten: Die Nadel ist haarfein, der Faden mit bloßem Auge nicht zu erkennen. Genäht werden Blutgefäße, die einen halben Millimeter Durchmesser haben - und zwar rundherum mit sechs Stichen. So eine OP dauert mitunter mehrere Stunden. Seit Mitte Februar bekommen die Mikrochirurgen Unterstützung vom OP-Roboter Symani. Dabei ist "Roboter" eigentlich der falsche Ausdruck, denn Symani operiert natürlich nicht selbstständig. Vielmehr unterstützt das System die Operateure in ihrer Arbeit.

 

Feinste Mikrochirurgie profitiert von robotergestützter Technik

Besonders bei sehr komplexen Eingriffen ist der Roboter eine große Hilfe, etwa bei der Wiederherstellung von Weichteildefekten nach Unfall oder Tumor oder bei der Lymphödem-Chirurgie. Mithilfe von Instrumenten zur Steuerung überträgt Symani die Handbewegungen des Operateurs auf das extrem kleine chirurgische OP-Besteck. Bis zu 20-fach werden die Bewegungen verkleinert: Bewegt der Chirurg seine Hand zwei Zentimeter (also 20 Millimeter), dann legt der Roboter mit der OP-Nadel nur einen Millimeter Wegstrecke zurück.

Bild
Winzig: Ein Greifwerkzeug des OP-Roboters, hier bei einer Übung. 

 

Ergonomisches Arbeiten entlastet Halswirbelsäule

Sehr feine mikrochirurgische Handgriffe sind damit möglich, etwa das Nähen von Blutgefäßen mit 0,5 mm Durchmesser. Das System rechnet zudem den so genannten Tremor heraus, ein normales leichtes Muskelzittern des Operateurs. Einen großen Vorteil bietet Symani auch durch die Anordnung der Instrumente. Mit ihnen kann der Chirurg oder die Chirurgin eine bessere ergonomische Haltung einnehmen. Insbesondere bei langen Operationszeiten – häufig bei mikrochirurgischen Eingriffen – wird dadurch einer Belastung der Halswirbelsäule vorgebeugt. Denn gerade bei Mikrochirurgen gilt eine Erkrankung der Halswirbelsäule als Berufskrankheit.

Pilotphase von zwei Jahren

Das System ist Anfang 2023 für eine Pilotphase von zunächst zwei Jahren angeschafft worden. Alle neun Akutklinken des BG-Klinikverbundes in Deutschland sind beteiligt und werden Chirurginnen und Chirurgen zur Schulung nach Ludwigshafen schicken. Dass der OP-Roboter für die Pilotphase an der BG Klinik Ludwigshafen zum Einsatz kommt, liegt in der Größe des Standortes. Die Ludwigshafener Unfallklinik hat mit Abstand die größte plastisch-chirurgische Einheit im deutschsprachigen Raum mit den höchsten Fallzahlen. Ihr Chefarzt, Professor Dr. Ulrich Kneser, ist begeistert von dem OP-Roboter und sagt dem System eine bedeutende Rolle in der künftigen Patientenversorgung voraus: „Ich bin überzeugt, dass wir mit dem robotergestützten Operieren eine deutliche Verbesserung der klinischen Versorgung, gerade auch bei Operationen an sehr kleinen Blutgefäßen, erreichen können.“ Professor Kneser ist einer der wenigen Chefärzte, die sich auf das System trainieren lassen, denn der erfahrene Mikrochirurg operiert regelmäßig selbst.

Prof. Dr. Ulrich Kneser bei der ersten Operation mit dem OP-Roboter Symani. Eine Operation ist immer Teamarbeit. Unter dem medizinischen Gerät ist der Operateur kaum zu erkennen, den Bereich des Eingriffs sieht er durch das OP-Mikroskop. Ihm gegenüber assistiert - wie bei jeder mikrochirurgischen Operation - ein zweiter Chirurg. Die Operationstechnische Assistentin reicht die Instrumente an und kann den Eingriff am Monitor mit verfolgen. 
 

Kein experimentelles System

Ein experimentelles System ist Symani nicht, es hat eine Zulassung für den europäischen Markt und steht bereits an einigen Uni-Kliniken, wird dort aber häufig auch im Rahmen von Forschungsprojekten oder nur bei sehr spezifischen Indikationen eingesetzt. Professor Kneser: „Wir haben an der BG Klinik Ludwigshafen das erklärte Ziel, den OP-Roboter konsequent in der Patientenversorgung anzuwenden.“ Die Projektphase wird daher von einem Projektplan begleitet und die Anwendung des Systems wird evaluiert. Zwei Aspekte stehen dabei besonders im Fokus: Das Patientenwohl einerseits, denn präzisere Gefäßnähte und geringeres Gewebstrauma sind vorteilhaft für die Patientinnen und Patienten. Und die Gesundheit und das Wohlbefinden der Operateure andererseits, die von einer verbesserten Ergonomie beim Operieren profitieren. 

Übung, Übung, Übung

Wer mit dem OP-Roboter operieren möchte, muss zunächst ein 15-stündiges Curriculum absolvieren. Angefangen wird mit einem Übungspad. Während die Chirurginnen und Chirurgen kleine bunte Ringe und Stifte zielgenau in dafür vorgesehene Mulden einpassen, lernen sie die Funktionen des Roboters kennen und trainieren die Steuerung. Im Anschluss stehen viele Gefäßnähte in einem eigens entwickelten Übungsmodell auf dem Plan. Erst danach darf der Operateur oder die Operateurin das System auch bei einer richtigen Operation einsetzen. Doch nicht alle Kolleginnen und Kollegen werden das Curriculum absolvieren. „Wir achten darauf, dass alle, die das machen, es auch sehr gut können“, sagt Professor Kneser. Um in Übung zu bleiben, müssen die einzelnen Ärztinnen und Ärzte eine ausreichend hohe Fallzahlen erreichen. In den ersten zwei Monaten haben fünf Kolleginnen und Kollegen aus der Ludwigshafener Klinik das Training abgeschlossen, unter ihnen Professor Kneser. Weitere befinden sich in Ausbildung. Ein Aus- und Weiterbildungskonzept ist parallel in Arbeit.

Übungseinheit am OP-Roboter Symani: Mit den winzigen Greifwerkzeugen hält der Operateur die Nadel (rechts) und den Faden (links). In dieser Übung wird simuliert, ein durchtrenntes Blutgefäß - der weiße Schlauch zwischen den grünen Klemmen -  wieder zu verbinden. 

 

Investition in gut ausgebildete Operateure

Dabei ist Symani für Professor Kneser auch eine Investition in die Kolleginnen und Kollegen. „Bis jemand ausgebildet ist und richtig gut mikrochirurgisch arbeiten kann, sind zehn Jahre ins Land gegangen“, erklärt er. Die gut ausgebildeten Chirurginnen und Chirurgen sollen also möglichst lange operieren können. Der OP-Roboter unterstützt sie dabei, da aufgrund der besseren Arbeitsergonomie funktionelle Beschwerden reduziert werden können. Und dadurch, dass das System das normale Muskelzittern herausrechnet, wird die so wichtige Hand-Auge-Koordination positiv unterstützt.

Bei der Übung: Der OP-Roboter ermöglicht eine entspannte Haltung. Der Operateur steuert die OP-Instrumente mit den Sticks, der Roboter reduziert das natürliche Muskelzittern und verkleinert die Handbewegungen um das bis zu 20-fache. Rechts im Bild ist das Trainingspad.  
 

Roboter kann den Menschen nicht ersetzen

Bei aller Begeisterung für die Technik wird am Ende der zweijährigen Projektphase eine nüchterne Evaluation zeigen, ob der OP-Roboter hält, was die Einsätze in den ersten Monaten hoffen lassen. Dabei ist eines schon jetzt klar, und Professor Kneser betont, was ihm besonders wichtig ist: „OP-Roboter unterstützen uns in unserem Tun, aber sie werden den Menschen am OP-Tisch nie ersetzen.“

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Professor Dr. med. Ulrich Kneser...

... ist Chefarzt der Klinik für Hand-, Plastische und Rekonstruktive Chirurgie, Mikrochirurgie - Schwerbandverletztenzentrum der BG Klinik Ludwigshafen.

Mit seinem Team versorgt er Weichteil-Verletzungen, Kombinationsverletzungen, schwere Weichteil-­Infektionen sowie alle Arten von Verletzungen und Erkrankungen der Hand. Neben der Versorgung von Knochenbrüchen gehören dazu auch Band-, Sehnen- und Nervenverletzungen wie auch die Behandlung von Gelenkverschleiß und Fehlstellungen. Für die Versorgung von Amputationsverletzungen gibt es einen 24h-Replantationsdienst.

In alle diese Behandlungen fließt die Mikrochirurgie als besondere Technik und besonderes Merkmal der Klinik mit ein. Die Klinik ist eines der größten und renommiertesten Zentren für freien Gewebe­transfer. Mikrochirurgische OP-Techniken kommen auch bei Eingriffen an peripheren Nerven, bei Lymphödemen, Brustrekonstruktionen, Straffungs-­Operationen nach Gewichtsverlust und bei onkoplastischen Rekonstruktion zum Zuge. Zur Klinik gehört außerdem eines der größten Schwerbrandverletztenzentren in Deutschland.